Image: Hausname Pirčar, St. Margareten i. R./Šmarjeta v Rožu, F.: Franc Wakounig

Hausname Pirčar, St. Margareten i. R./Šmarjeta v Rožu, F.: Franc Wakounig

Slowenische Flur- und Hofnamen

Im Jahr 2010 wurden die slowenischen Flur- und Hofnamen in Kärnten in das österreichische nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Den Antrag für die Aufnahme unterzeichneten alle VertreterInnen der slowenischen Kulturvereine, die sich damals um die Erhaltung dieser Namen bemühten sowie die Interessensgemeinschaft der Zeller Bauern – also die „TrägerInnen“ eines überlieferten Wissens oder einer Tradition, die von der UNESCO durch die Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes aus dem Jahr 2003 geschützt sind.

Die Grundlage für die Aufnahme bildeten die Wandkarten von Jozi Pack und die Landkarten mit slowenischen Flur- und Hofnamen, die in Köttmannsdorf/Kotmara vas und Zell/Sele im Jahr 2008 herausgegeben wurden. Jahrhundertelang dienten die mündlich überlieferten Flur- und Hausnamen der Bevölkerung als Orientierungshilfen in der Natur und Kulturlandschaft. Flurnamen benennen die kleinsten geografischen Einheiten, durch die heutige großflächige Bearbeitung in der Landwirtschaft drohten diese in Vergessenheit zu geraten. Sie sind bedeutendes immaterielles Kulturerbe, denn sie geben in der ursprünglichen Benennungssprache Aufschlüsse über die Bodenart, Bewuchs, Geländeform und Nutzungsarten und ermöglichen dadurch auch tiefe Einblicke in die regionale Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Trotz des Sprachwechsels eines großen Teiles der Südkärntner Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich die Namen in ihrer ursprünglichen Form erhalten und werden auch von den deutschsprachigen BewohnerInnen verwendet.

Die Aufnahme der slowenischen Flur- und Hofnamen in das österreichische Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO stieß auf großes Medieninteresse. Es folgten viele Einladungen zu Vorträgen und Martina Piko-Rustia wurde in die Arbeitsgemeinschaft für Kartographische Ortsnamenkunde (AKO) aufgenommen. Die ersten Landkarten mit dem UNESCO-Logo erschienen im Jahr 2011 (St. Margareten im Rosental/Šmarjeta v Rožu, Schiefling am Wörthersee/Škofiče).

Interregionales Projekt FLU-LED

Von 2011–2015 verlief das Interreg-Projekt FLU-LED im Rahmen des Programms OP SI-AT 2007–2013. Partner im Projekt Kulturportal der Flur- und Hausnamen waren der Slowenische Kulturverband (Leadpartner), der Christliche Kulturverband, die Entwicklungsagentur Razvojna agencija Gorenjska und das Museum Gornjesavski muzej Jesenice. Das Institut Urban Jarnik wirkte im Projekt als Fachexperte mit und war für die Erarbeitung einer einheitlichen Methodologie und für die Erstellung der Landkarten zuständig. 2012 erschien auf Slowenisch eine Publikation, in der die Methoden zur Erfassung der Flur- und Hausnamen, die Transkription von Dialektnamen und zur Standardisierung der Namen vorgestellt sind. In Kärnten erschienen im Projekt vier Landkarten (Finkenstein/Bekštanj, St. Jakob im Rosental/Šentjakob v R., Feistritz im Rosental/Bistrica v R., St. Margareten im Rosental/Šmarjeta v R.). Drei weitere Landkarten erschienen in Slowenien (Kranjska Gora, Jesenice, Tržič). Im Projekt entstand auch ein Webportal, auf dem alle gesammelten Namen veröffentlicht und lokalisiert sind: www.flurnamen.at oder www.ledinskaimena.si. Das Projekt wird auch nach Abschluss des Interreg-Projekts fortgeführt. Im April 2019 stellte der Slowenische Kulturverband die erneuerte Webseite FLU-LED mit der interaktiven Landkarte und der Möglichkeit zur Teilnahme vor.

Tätigkeit in der Arbeitsgemeinschaft (AKO)

Martina Piko-Rustia nimmt seit 2012 regelmäßig an den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft für Kartographische Ortsnamenkunde (AKO) teil. Die AKO versteht sich als Koordinationsgremium aller in Österreich mit geographischen Namen befassten amtlichen Dienststellen sowie der zuständigen wissenschaftlichen und privaten Institutionen, mit dem Hauptziel, die Standardisierung der geographischen Namen Österreichs im Sinne der Empfehlungen der Vereinten Nationen zu fördern. Martina Piko-Rustia berichtet in diesem Gremium über die Dokumentation der Flurnamen in Kärnten, über die aktuellen Diskussionen der Neubenennungen von Straßen oder über die Problematik der Berücksichtigung der slowenischen geografischen Namen auf amtlichen Landkarten. Das Flur- und Hofnamenprojekt in Kärnten wurde in Folge vom ehemaligen Vorsitzenden der AKO Dr. Peter Jordan auf internationaler Ebene präsentiert, z. B. 2016 in Bangkok und 2017 bei der Konferenz der Vereinten Nationen zur Standardisierung geographischer Namen in New York.

Good-Practice-Beispiel

Anlässlich des 10. Jahrestages der Unterzeichnung des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes veröffentlichte die österreichische UNESCO-Kommission im Juli 2019 zehn ausgesuchte Good-Practice-Beispiele, die sich auf lokaler und (über)regionaler Ebene als beispielhafte Projekte für den Erhalt und die Weitergabe des immateriellen Erbes an jüngere Generationen verdient gemacht haben. Diese Auszeichnung erhielt auch das Projekt der Dokumentation der slowenischen Flur- und Hausnamen in Kärnten. Die Kommission stellte fest, dass in diesem Projekt die Prinzipien und Ziele des UNESCO-Übereinkommens im besonderen Maße erfüllt werden, weil sich die Träger für die Entwicklung zeitgenössischer und kreativer Formen der Tradierung an jüngere Generationen einsetzen, das sind z. B.: die Webseite www.flurnamen.at bzw. www.ledinskaimena.si, gedruckte Landkarten und Workshops für Jugendliche. Ebenso bedeutend sei aber auch die wissenschaftliche Erfassung, Aufbereitung und Dokumentation der Flur- und Hofnamen.

CarinthiJA 2020

Anlässlich der 100-Jahr-Gedenkfeierlichkeiten der Kärntner Volksabstimmung führte das Institut Urban Jarnik im Rahmen der vom Land Kärnten geförderten Projekte das Projekt Landschaft und Identität – Überliefertes Namensgut als immaterielles Kulturgut durch.

Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Kärnten – Dokumentation von geographischen Namen im Bezirk Völkermarkt (Pilotprojekt des Landes Kärnten)

 Von August bis Dezember 2021 wurde vom Land Kärnten und dem Kärntner Bildungswerk ein Projekt zur Erfassung von Orts-, Feld-, Flur- und Vulgar- bzw. Hofnamen im Bezirk Völkermarkt durchgeführt, um das in den Kartenwerken der Kärntner Landesregierung bereits erfasste Namensgut mit dem Wissen der örtlichen Bevölkerung abzugleichen und Ergänzungen und Korrekturen des Datenbestandes vorzunehmen. Dazu wurden in den Gemeinden des Bezirkes Völkermarkt interaktive Ausstellungen organisiert, wo Richtigstellungen oder Neuerfassungen durch die Bevölkerung getätigt werden konnten. Bei den abschließenden Namenswerkstätten waren Ansprechpersonen des Kärntner Bildungswerkes und des Institutes Urban Jarnik anwesend, mit denen die Namen im Kartenwerk diskutiert werden konnten. Das Urban-Jarnik-Institut wurde vom Kärntner Bildungswerk in das Projekt eingebunden, da es über jahrelange Erfahrung im Dokumentieren von Haus-, Hof- und Flurnamen verfügt.

Das Pilotprojekt im Bezirk Völkermarkt wirft grundsätzliche Fragen zur Verwendung von Minderheitennamen auf offiziellen Karten auf. Da es sich um eine offizielle Verwendung der geographischen Namen handelt, ist es sinnvoll, diese in der Standardsprache zu schreiben. Dazu möchte das Institut Urban Jarnik ExpertInnen der Arbeitsgemeinschaft für Kartographische Ortsnamenkunde (AKO), insbesondere ihren Ehrenvorsitzenden Dr. Peter Jordan, und Dr. Heinz-Dieter Pohl zu Rate ziehen. Probleme der Standardisierung slowenischer Namen aufgrund von Dialektnamen wurden auch im Handbuch Metode zbiranja hišnih in ledinskih imen behandelt, das im Rahmen des grenzüberschreitenden Projektes FLU-LED veröffentlicht wurde (siehe oben unter Publikation).